Nachdem Ministerpräsident Bouffier allen Teilnehmern die Hand geschüttelt hatte, sagte er einleitend, dass er sich freue, dass die Bürgerinitiativen seiner „Einladung gefolgt“ seien. Dann ging er sofort auf die wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens ein, sprach vom Flughafen als „Herzstück der Wirtschaft im Rhein-Main-Gebiet“ und der Bedeutung für ganz Deutschland, von Arbeitsplätzen und Existenzen und dass er den Ausbau für richtig hält. Es wäre aber nun an der Zeit, einen Weg zu finden, für die entstandenen Belastungen einen Ausgleich zu finden – einen „fairen Ausgleich“. Dabei möchte er „einen konstruktiven Dialog“ mit den Bürgerinitiativen. „Wir haben eine Verantwortung“, meinte er und die Probleme hätten „viele Facetten“. „Technisch und organisatorisch“ müsste geklärt werden, welche Belastungen entstehen. Die Landesregierung hätte ja bereits schon Anstrengungen unternommen, u.a. bezüglich aktivem und passivem Schallschutz, Task Force …
Frau Kopp leitete als Sprecherin des BBI die Redebeiträge des BBI ein mit dem Hinweis, dass auch noch genügend Zeit zur Diskussion bleiben sollte. Zwar gäbe es noch weitere Forderungen, jedoch sollten 4 Kernforderungen bei diesem Treffen besprochen werden:
1. Nachtflugverbot
2. Stilllegung der Nordwestlandebahn
3. Deckelung der Flugbewegungen
4. EU Vorschlag zu Betriebsbeschränkungen
Es wurde zunächst erklärt, dass dieses Gespräch Jahre zu spät erfolgt, dass Versprechungen über Jahre, auch von unterschiedlichen Landesregierungen und Politikern, gebrochen wurden, dass der Vertrauensverlust außerordentlich groß sei. Es wäre nötig, dass Hilfe sofort erfolgen müsste, der Flughafen mit seinem permanenten Ausbau nicht raumverträglich sei. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Bürgerinitiativen bewußt nicht an dem Mediationsverfahren teilgenommen hatten, da sie von diesem Verfahren nicht überzeugt waren, dass hierbei fair mit den Bürgern umgegangen werden sollte.
Die Forderungen lauten:
– das Nachtflugverbot muss von 22-6 Uhr gelten und in den Randzonen von 21-22 und 6-7 Uhr sollte auch Rücksicht auf die Menschen genommen werden.
– es muss auf schutzbedürftige Einrichtungen Rücksicht genommen werden
– sofortige Schließung der Nordwestlandebahn
– Kapazitätsbeschränkungen: Deckelung auf 380.000
– klares Nein zur EU-Verordnung
– Rücknahme der Revision
– „vertrauenswürdige Maßnahmen müssten von der Landesregierung aufgezeigt werden“
Die einzelnen Punkte wurden sehr sachlich und umfassend von entsprechend vorbereiteten Delegierten vorgetragen und jeweils diskutiert.
Nachtflugverbot:
– Forderung nach Rücknahme der Revision durch die Landesregierung
– die gesetzliche Nacht geht von 22-6
– die Mediationsnacht von 23-5 (also viel zu kurz, wer schläft nur 5,5 – 6 h?)
Bouffier weist die Forderung nach Rücknahme der Revision zurück mit dem Argument der Rechtsicherheit. Auf Nachfragen, ob es nicht ein gutes Signal der Landesregierung für die betroffene Bevölkerung sein könnte, wenn die Landesregierung die Revision zurücknehmen würde und das Urteil aus des VGH aus Kassel als „rechtssichere“ Möglichkeit akzeptieren würde, zumal weitere Revisionen anhängig seien, wurde eine Absage erteilt. Minister Posch hielt dazu eine sehr lange, juristische Rede, die wahrscheinlich nur Juristen unter den Teilnehmern verstanden. Erst als er gebremst wurde, konnte wieder für alle verständlich weiter geredet werden.
Auch einer Regelung von 22-6 kann die Landesregierung „nicht folgen“. Aber zu den Randstunden sagte Bouffier, dass er „schauen wollte, ob es verbessert werden könnnte“.
Auch einer Deckelung auf 380.000 Flüge wäre indiskutabel. Für ihn gibt es nur die Möglichkeit zu prüfen, „wie die Auswirkungen herunterzukriegen sind“.
Zur Stilllegung wurde erklärt, dass die Bahn nur vorläufig genehmigt sei, es sich um eine Fehlplanung handeln würde, die nicht raumverträglich ist. „Die Grenzen sind überschritten“, „wenn das Gemeinwohl gefährdet ist, kann die Bahn auch (formal?, rechtlich?)… geschlossen werden. Die Voraussetzung dafür ist die Genehmigung der Bahn, die ja noch nicht vorliegt. „Bei genügendem politischen Willen kann die Bahn auch geschlossen werden“
„Liegt hier nicht der Tatbestand der Körperverletzung vor?“ wurde gefragt. Die Bahn soll so lange geschlossen werden, bis ein nötiger Schutz vorhanden ist.
Bouffier: Nein!
Zur Deckelung kam der Vorschlag, auch zu beachten, dass nicht in den kommenden Jahren das ganze Kerosin verflogen wird. Auch spätere Generationen sollen noch fliegen dürfen.
– „Ein Flughafen dieser Größenordnung gehört nicht in ein so dicht besiedeltes Gebiet, er ist nicht mehr Motor, sondern Belastung“ Es wurde vom Moloch Frankfurter Flughafen gesprochen.
– „Wer etwas über die Verdrossenheit der Bürger lernen will, soll sich den Ausbau des Frankfurter Flughafens anschauen“.
– „Das Vertrauen ist weg, wir wurden zu oft belogen und betrogen“
Bouffier betonte immer wieder, dass er die „Sorgen ernst nehmen würde“. Ein „Bündel von zukünftigen Maßnahmen“ kündigt er an, eine 5-jährige Untersuchung der Auswirkungen auf die Gesundheit. Mmmh – wer vertraut diesen Ankündigungen? (Nebenbei:Wie vertrauenswürdig kann eine Gesundheitsstudie sein, bei der Dr. Ursel Heudorf aus Frankfurt mitwirkt, die sich schon 1998 bezüglich der gift-verseuchten US-housings in Frankfurt m. M. nach mehr dafür engagiert hatte, nicht die Bewohner zu schützen, sondern die wirtschaftlichen Interessen der Wohnungsgesellschaft.)
Abschließend kann man sagen, es wurde deutlich – und hier zeigte sich Bouffier ehrlich – dass er die wirtschaftlichen Interessen der Flugindustrie und der daran Profitierenden höher bewertet als die Gesundheit der Menschen und das Bedürfnis der Menschen, im Rhein-Main-Gebiet gut leben zu wollen.
Eines hat er sicherlich erreicht: Die betroffenen Menschen, die Bürgerinitiativen werden ihre Interessen verstärkt in die eigene Hand nehmen und sich noch intensiver für ihre Forderungen und Rechte einsetzen. Von dieser Landesregierung ist jedenfalls keine Lösung zu erwarten.
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Eingangsstatetement von Ingrid Kopp, Sprecherin des BBI:
Statement der Bürgerinitiativen
Leider findet dieses Gespräch einige Jahre zu spät statt, inzwischen ist auf Landesebene alles entschieden worden, was zu entscheiden war.
Deshalb erlauben Sie uns, dass wir die Ernsthaftigkeit dieses Gesprächs anzweifeln.
Mit Versprechungen werden wir uns nicht zufrieden geben, schon gar nicht, wenn diese erst in Jahren greifen werden. Der Vertrauensverlust ist zu groß.
Wir brauchen schnell – d.h. sofort – Abhilfe, die Menschen in der Region leiden.
Der Frankfurter Flughafen ist nicht mehr raumverträglich. Reduzierung der Flugbewegungen sind im Interesse der Bevölkerung unbedingt erforderlich.
• Dazu gehören das absolute Nachtflugverbot von 22 – 6 Uhr und geschützte Tagesrandzeiten von 21 – 22 Uhr und 6 –7 Uhr.
Dabei ist besonders Augenmerk auf die schutzbedürftigen Einrichtungen, wie Altenheime, Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten zu legen.
• Dazu gehört die sofortige Stilllegung der Nordbahn und der Stopp aller Aktivitäten zur Kapazitätssteigerung des Flughafens.
Der Flughafen greift inzwischen stark in die Existenzrechte der Menschen und Kommunen ein.
• Dazu gehört die Deckelung der Flugbewegungen auf ein erträgliches Maß von 380.000.
• Wir fordern ein klares Nein der Landesregierung zur EU-Verordnung über die Betriebsbeschränkungen auf den europäischen Flughäfen.
Diese Verordnung dient allein der Luftfahrtindustrie und würde den Konflikt mit der Bevölkerung drastisch verstärken.
Eine gute Ausgangsbasis für unser heutiges Gespräch wäre gewesen, wenn Sie die Revision gegen das Nachtflugverbot zurückgenommen hätten.
Das politische Versprechen einer Landesregierung muß ein höheres Gewicht haben, als der abstrakte Wunsch nach Rechtssicherheit.
Hier steht die Landesregierung der Bevölkerung noch im Wort, auf das Nachtflug-verbot hat sie ein Anrecht.
Jetzt vor die Presse zu treten, man hätte das Ausmaß der Belästigungen nicht geahnt, nimmt Ihnen Herr Posch, keiner ab.
Sie wussten genau, was auf die Menschen in der Region zukommt, nur mit diesem großen Widerstand haben Sie nicht gerechnet.
Der neue Fluglärmbeauftragte warnte gestern davor, den großen Wurf beim Fluglärmschutz zu erwarten.
Auch wir halten kosmetischen Maßnahmen als Lösung völlig ungeeignet.
Vertrauensbildende Maßnahmen müssen uns präsentiert werden, wenn das Gespräch heute sinnvoll geführt werden soll.
Nur ein grundlegendes Umdenken Ihrerseits, die Lebensinteressen der Bevölkerung in den Vordergrund zu stellen, statt dem Wachstumswahn der Luftverkehrswirtschaft Vorrang zu geben, kann zu einem Lösungsansatz führen.
Wenn Sie die Ängste und Nöte der Bevölkerung erst nehmen, nehmen Sie die Revision gegen das Nachtflugverbot zurück, lassen Sie die Nordbahn stilllegen, beschränken Sie die Flugbewegungen auf 380.000 und stoppen sie alle Aktivitäten zur Kapazitätssteigerung des Flughafens.
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Zum Thema: Nachtflugverbot und Rücknahme der Revision.
Wir fordern ein stringentes und echtes Nachtflugverbot, und zwar während der Zeit von 22 bis 6 Uhr.
Es ist bekannt, dass die gesetzliche Nacht von 22 bis 6 Uhr währt; die sog. Mediationsnacht (23 bis 5 Uhr) ist nicht ausreichend, um das Schafbedürfnis eines durchschnittlichen Menschen zu befriedigen. Zahlreiche medizinische Studien zeigen, dass die Störung der Nachtruhe in ganz besonderem Masse gesundheitsschädlich ist. Sie fördert eine Reihe schwerwiegender Erkrankungen, ich nenne hier nur Blutdrucksteigerungen und Erkrankungen des Herz-Kreislaufs. Wir befinden uns mit dieser Forderung in guter Gesellschaft, wie etwa der des Umweltbundesamts in seiner neuesten Publikation zum Ausbau der Berliner Flughafens aus diesem Monat (http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/4209.pdf, dort Seiten 78 bis 80), weiterhin die Greiser-Studie.
Umso unverständlicher ist, dass das Land Hessen an seiner Forderung von der Zulässigkeit nächtlicher Flüge sogar in der Mini-Mediationsnacht festhält. Um es in aller Gedächtnis zurückzurufen: der Flughafenbetreiber hatte ein Nachtflugverbot für die Zeit von 23 bis 5 Uhr beantragt, aber die Genehmigungsbehörde, das Hess. Wirtschaftsministerium, hatte dennoch in seinem Planfeststellungsbeschluss durchschnittlich 17 Flüge in der Zeit von 23 bis 5 Uhr für zulässig erklärt. „Durchschnittlich“ ist auf das ganze Jahr bezogen – es spricht also nach dem Planfeststellungsbeschluss nichts dagegen, wenn in einzelnen Nächten 50 Flugbewegungen stattfinden, wenn diese an anderen, verkehrsschwachen, Tagen, gleichsam wieder eingespart werden. Der VGH Kassel hat in seinem Flughafenurteil ausgesprochen, das Ermessen bezüglich der Zulässigkeit von Flügen in der genannten Zeit sei falsch ausgeübt worden, es tendiere gegen null. Weiterhin ist in der Entscheidung enthalten, dass die Tagesrandstunden von 22 bis 23 und 5 bis 6 Uhr nur schonend beflogen werden sollen, und davon will weder der Ministerpräsident noch große Teile der Politik irgendetwas wissen.
Nun hat der Ministerpräsident in den letzten Tagen, entgegen jahrelanger Äußerungen, erklärt, er sei ja durchaus für ein Nachtflugverbot während der sog. Mediationsnacht, aber dennoch müsse das Land Hessen an seiner Revision gegen das Urteil des VGH festhalten, nur so könne die erforderliche Rechtssicherheit erlangt werden. Wenn „Leipzig“ ein Nachtflugverbot statuiere, so werde es befolgt. In diesem Zusammenhang gestatte ich mir die Bemerkung, dass es aus Rechtsgründen Urteile des Bundesverwaltungsgerichts befolgt werden müssen, ob die Hess. Landesregierung will oder nicht, denn die Exekutive des Landes Hessen ist selbstverständlich an höchstrichterliche Urteile gebunden.
Die Frage ist doch, was das Land Hessen will. Hier lohnt sich ein Blick auf die Ausführungen des vom Land beauftragen Rechtsanwalts Dr. Gronefeld in seiner Revisionsschrift vom 19.3.2010. Dort ist kein einziges Argument für ein Nachtflugverbot zu finden, sondern immer nur, warum Flüge selbst zwischen 23 und 5 Uhr erforderlich seien. Die Bekenntnisse des Ministerpräsidenten, es werde nachts nicht geflogen, wenn dies rechtlich zulässig sei, werden so ad absurdum geführt. Denn dann hätte der Anwalt des Landes doch Argumente für ein Nachtflugverbot vortragen müssen – und die gibt es zuhauf.
Jeder weis, dass inzwischen – im Wege der Eilentscheidung – der Hess. VGH ein Verbot von Flügen in der Zeit von 23 bis 5 Uhr angeordnet hat. Und siehe da, es geht! Keine Fluggesellschaft ist deswegen in Insolvenz gefallen, die Rhein-Main-Region liegt nicht danieder, aber die Menschen empfinden es als große Erleichterung – freilich nicht als die Gewährung der erforderlichen Menge Schlafs, die hätten sie nur bei einem Ruhen des Flugbetriebs zwischen 22 und 6 Uhr. Allerdings wird dieses Mini-Nachtflugverbot nur sehr nachlässig gehandhabt, wenn etwa in der Nacht vom 8. auf den 9. Januar 2012 18 und in der Nacht vom 20 auf den 21. Dezember 2011 16 Flüge stattfanden, um nur zwei krasse Beispiele herauszugreifen. (Quelle: Deutscher Fluglärmdienst, http://www.dfld.de/DFLD/index.htm). Wohlgemerkt: es handelte sich weder um Sanitäts- noch sonstige Notflüge, über deren Notwendigkeit braucht niemand zu diskutieren. Das Geschrei der Fluggesellschafen ist aber groß, wenn, was bislang gerade 2 mal geschehen ist, ein Flugzeug um kurz nach 23 Uhr wieder die Startposition verlassen muss und nicht abheben darf. Ich will nochmals auf das Argument der Rechtssicherheit zurückkommen. Dieses zieht nicht. Wenn durch Rücknahme der Revision das Urteil des VGH rechtskräftig wird, dann ist es zu befolgen, Punktum. Ein Planergänzungsverfahren wäre lt. Urteil erforderlich. Das würde genauso gelten, wenn das Bundesverwaltungsgericht das Urteil aus Kassel bestätigt. Auch dann käme es zum Planergänzungsverfahren. Erforderlich wird dann eine Offenlage, eine Erörterung und der Erlass eines Planergänzungsbeschlusses. Das hätte man aber schon unmittelbar nach dem Urteil des VGH machen können. Statt dessen wird mit dem vorgeschobenen Argument der Rechtssicherheit ganz offensichtlich gehofft, dass das Bundesverwaltungsgericht das für die Bürger und Bürgerinnen insofern günstige Urteil aufhebt und Nachtflüge zulässt. Sicher ist nämlich, dass das Bundesverwaltungsgericht von sich aus keine Zahl erlaubter nächtlicher Flüge nennen wird; es ist nur befugt, die Entscheidung aus Kassel auf Rechtsfehler hin zu überprüfen.
Auch hier wieder machen sich die Landesregierung und die sie tragenden Parteien abermals unglaubwürdig. Es steht in einer Reihe mit den gebrochenen Zusicherungen zweier Amtsvorgänger des derzeitigen Hess. Ministerpräsidenten: Eichel hat erklärt, dass kein Baum mehr fallen werde, Koch, es gäbe einen Ausbau nur mit einem Nachtflugverbot. Dem hat sich der Hessische Landtag angeschlossen. So wächst das Misstrauen ins Unendliche und die Politikverdrossenheit. Irgendwelche Versprechungen, wie die Prüfung der Möglichkeit lärmarmen An- und Abflugs oder das Hoffen auf leiseres Fluggerät kann der Ministerpräsident sich sparen. Die Rücknahme der Revision wäre dagegen kein Versprechen, sondern ein hartes Faktum, und nur damit kann die Politik noch punkten. Das Land Hessen wäre auch nicht daran gehindert, nach Rücknahme der Revision in dem Planergänzungsverfahren ein absolutes Nachtflugverbot in der Zeit von 22 bis 6 Uhr anzuordnen. Das Ergänzungsverfahren ist in Zeit und Umfang überschaubar. Zu beteiligen sind nur der Flughafen und die Flughafennutzer.
Dass Herr Bouffier geruht hat, uns (endlich) wenigsten einmal anzuhören – nachdem die Flugverkehrswirtschaft immer ein offenes Ohr vorfindet – hat uns nichts gebracht. In der Einladung zum Gespräch in der Staatskanzlei am 18.1.2012 davon zu sprechen, er wolle wissen, wie die Belästigungen in der Region sind, ist fast ein Hohn: das haben doch die Beamten des Landes Hessen schon im Genehmigungsverfahren berechnet – oder sollten sie sich und der Großteil der Politiker eben verrechnet haben? Sie haben sich auf jeden Fall hinsichtlich der Reaktion der Bevölkerung auf die Zunahme des Flugbetriebs – der ja angesichts der prognostizierten Steigerungen nur ein Anfang ist – verrechnet oder gar die Bevölkerung bewusst getäuscht.
Verfasser: Hartmut Wagner
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Rede-Manuskript von Frau Dr. Ursula Fechter zur Forderung Stilllegung der Nordwest-Landebahn:
Ich habe die Aufgabe für das Bündnis übernommen, unsere weitesgehendste Forderung, nämlich die Schließung und Stilllegung der Nord-West-Landebahn zu begründen.
Der Bau der Nord-West-Landebahn ist, was die Belastung und Gefährdung der Bevölkerung angeht, eine gigantische Fehlplanung. Sie war und ist nicht – um im Planungsrecht zu bleiben – raumverträglich und bedeutet für 100.000 in der Region eine völlig unzumutbare Lärm- und Schadstoffbelastung, genauso wie die Gefahr eines Absturzes ( Stichwort wäre hier das Vogelschlagrisiko). Dass die Bahn von Anfang an nicht raumverträglich war, hat der RA der BIS schon zu Beginn nachgewiesen. Ihm lagen interne Unterlagen vor, nämlich die Ursprungsversion der Stellungnahme des Regierungspräsidiums Darmstadt. In der 1. und 2. Variante wurde die Raumverträglichkeit verneint und erst in der 3. Variante nach massiven Änderungen unter bestimmten Bedingungen bejaht. Dies ändert nichts daran, dass der Ausbau, der zu direkten und niedrigen Überflügen über Wohnhäuser, Schulen und soziale Einrichtungen führt nicht raumverträglich ist, d.h. ökologisch und sozial nicht in Einklang mit der Region zu bringen ist.
Unabhängig von juristischen Hürden muss die Hessische Landesregierung einsehen, dass es nicht möglich ist diese ungeheuere Belastung gegen den Willen und den gesamten Widerstand der Region aufrecht zu erhalten. Es muss ein Umdenken stattfinden. Hier sind die Grenzen des Wachstums nicht erreicht sondern längst überschritten. Wir fordern daher die sofortige Stilllegung.
Ein Nachtflugverbot entsprechend der Mediation ist nicht die Lösung. Gerade diese Situation haben wir ja zurzeit und die Menschen sind verzweifelt. Noch ist die Bahn nicht endgültig genehmigt. Auch wenn dies geschehen sollte, so wäre eine Stilllegung formal der Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes, der nach dem Verwaltungsverfahrens-gesetz möglich ist, soweit dadurch schwere Nachteile für das Gemeinwohl beseitigt werden. Das ist hier eindeutig der Fall.
Wir können Ihnen jede Menge Gutachten vorlegen, die sowohl die massiven gesundheitlichen Gefahren durch den Fluglärm als auch durch die gestiegenen Schadstoffemissionen eindeutig belegen. Im Übrigen, dass dies auch in der Vergangenheit möglich, war zeigen die Beispiele wie: Mühlheim –Kärlich. M-K wurde schon 1988 wegen fehlerhafter Baugenehmigung vom Netz genommen. Bei Wackersdorf wurden die Teilgenehmigungen wieder aufgehoben, Kalkar wurde fertig gestellt und nie in Betrieb genommen und ist heute ein Vergnügungspark. Die Grube Messel wurde trotz Planfeststellungsbeschluss keine Mülldeponie sondern Weltkulturerbe. Und die dass die 7 AKWs sofort stillgelegt wurden verdanken wir der geänderten politischen Willensbildung und genau das muss hier auch passieren.
Ursula Fechter
BIS Bürgerinitiative Sachsenhausen gegen Neue Landebahn
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Zum Thema „Deckelung der Flugbewegungen“
Stellungnahme von Nick Timm, Neu-Isenburg
Stellungnahme zum Thema „Deckelung der Flugbewegungen“ im Auftrag und Namen des Bündnisses der Bürgerinitiativen anlässlich des Treffens des Bündnisses mit Herrn Bouffier und weiteren für den Flughafen zuständigen Kabinettsmitgliedern am 18.01.2012 in der Wiesbadener Staatskanzlei.
Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich Sie daran erinnern, dass Sie unsere vom Volk gewählten politischen Vertreter sind. Sie tragen die Regierungsverantwortung für die hier lebenden Menschen.
Wir erwarten von Ihnen, dass Sie als unsere gewählten Vertreter vor allem im Interesse der hier wohnenden Menschen handeln und nicht einseitig die Interessen der Wirtschaft im Auge haben, sondern beides sorgfältig gegeneinander abwägen. Sie aber handeln nach der Devise: Rechnet sich was für die Wirtschaft, geht’s auch den Menschen gut. Für diese vordergründig positiven Effekte nehmen Sie bedenkenlos die schlimmsten Einschnitte für die Gesundheit und die Lebensqualität der hier lebenden Menschen in Kauf.
Während die positiven Effekte durch eine Vielzahl von Gutachten begleitet werden, werden die negativen Effekte entweder nicht untersucht oder beiseite geschoben.
(Raumverträglichkeit, Auswirkungen auf den Standort, Monostruktur, Siedlungsbeschränkung, Wegzug von Unternehmen – Barriere für Zuzug, Siedlungsbeschränkungen der Kommunen, Wertverluste, von Immobilien, gesundheitliche Schäden und deren volkswirtschaftliche Belastungen u.a.)
Wenn aber die negativen Effekte die vordergründig positiven Effekte überwiegen, dann kippt das Ganze. Und dieser Fall ist bei der Lärm- und Schadstoffbelastung durch den Flugverkehr von ca. 500.000 Flugbewegungen jetzt schon erreicht.
Die Lebensqualität und die Gesundheitsgefährdung haben bereits jetzt unzumutbare bzw. bedrohliche Ausmaße erreicht. Dies ist bedrohlich für die hier lebenden Menschen und wirtschaftlich kurzsichtig für den Standort Rhein-Main. Denn Investitionen in Bildung, Forschung und Dienstleistung vertragen sich schlecht mit unerträglichem Fluglärm und Schadstoffbelastungen.
Die neue Bahn wurde ja auch nicht gebaut, um die Region zu entlasten, sondern sie ist entstanden, um die Kapazität um weitere 200.000 FBW auf 700.000 zu erhöhen. Und das ohne Deckelung. Sie verlassen sich wieder einmal auf die Prognose der Fraport, dies sei die Kapazitätsgrenze. Mehr ginge nicht.
Dabei wissen wir aus einem von der ZRM in Auftrag gegeben Gutachten, dass die technische und realisierbare Kapazitätsgrenze (Betonkapazität) bei 900.000 FBW liegt.
Und Fraport hat mit seinen Prognosen immer danebengelegen. Das war 1971 so, als man die Zahl der FBW auf 325.000 geschätzt hatte, übrigens als Basis für die negativen Lärmfolgen des damaligen Ausbaus. Und dann waren es 380.000 und am Ende 460.000, ohne das auch nur irgendjemand aus der Politik mal auf die Idee gekommen wäre hier einzugreifen..
Und beim jetzigen Ausbauverfahren war es auch nicht anders. Erst waren es 660.000, und auf einmal 700.000. Und sie werden auch bei 700.000 nicht stehenbleiben, wenn Sie dem Ganzen nicht endlich Einhalt gebieten.
Und es ist auch nicht damit getan, dass man aufgrund der massiven Proteste jetzt anfängt, Flugbewegungen zu verlagern. Damit schaufeln Sie die Belastungen nur wieder auf eine andere Seite der Region.
Ein Flughafen dieser Größenordnung gehört nicht in ein dicht besiedeltes Großstadtgebiet. Dieser Flughafen ist eine Fehlkonstruktion. Andere Weltflughäfen gehen per Satelliten an die Peripherie. Wir belasten weiter die Wohngebiete. Und das dicke Ende kommt erst noch.
Ich habe mal die Distanz von der Frankfurter Innenstadt zum Flughafen maßstabsgetreu auf die Stadtpläne von London und Berlin übertragen. Da landen Sie in London bei Chelsea und in Berlin bei Mariendorf kurz hinter Tempelhof. Und Tempelhof wurde geschlossen, weil man den Lärm der im Vergleich zu Frankfurt relativ wenigen FBW den dort wohnenden Menschen nicht mehr zumuten wollte.
Dieser Flughafen wickelt jetzt schon das dreifache der FBW von Hamburg und das dreieinhalb fache von Stuttgart ab. Und der Lebens- und Wirtschaftsstandard beider Regionen ist eher höher als niedriger als bei uns. Der Flughafen Frankfurt ist jetzt schon die Nummer drei in Europa und die Nummer acht in der Welt. Sie wollen es nicht dabei belassen, sondern wollen in Konkurrenz zu Dubai treten. Einem Globaldrehkreuz in der Wüste. Sie werden damit auch hier eine Wüste bekommen, eine Wüste der eigenen Art.
Und was hat die Region vom Ausbau? 50% der Passagiere steigen hier nur um. Der Zuwachs dient ausschließlich der Drehkreuzfunktion. Die Region Rhein-Main braucht nicht mehr, sondern weniger Flugbewegungen.
Ich bin kein Flughafengegner, sondern wehre mich nur gegen den Ausbau. Der überdimensionierte Flughafen ist nicht mehr Motor, er wird zur Belastung, nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Kommunen, die nicht nur profitieren, sondern in ihrer Entfaltungsmöglichkeit erheblich beschnitten werden.
Wir sind ein föderal strukturiertes Land mit einem engen Netz von Flughäfen. Der Flugverkehr muss entflochten und in ein europaweites Verkehrskonzept eingebunden werden.
Erlauben Sie mir eine kritische Frage zum Schluss: Woher nehmen eigentlich zwei Großunternehmen das Recht, sich eine gesamte Region zur Lösung ihrer betriebswirtschaftlich bedingten Engpässe zu unterwerfen, und zu verlangen, dass die Region nach ihren Bedürfnissen hin ausgerichtet und belastet wird?
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Helmut Hahn, Darmstadt
Lärmkosmetik reicht nicht
Verdrängen, aussitzen, polarisieren, Zeit gewinnen und ein wenig Lärmkosmetik. Das ist die Antwort von Ministerpräsident Bouffier auf den Fluglärmkonflikt mit der betroffenen Bevölkerung.
Diesen Eindruck vom gestrigen Gespräch in der Staatskanzlei hat einer der Sprecher des Bündnisses der Bürgerinitiativen Helmut Hahn. Die Sorge um 70.000 Arbeitsplätze treibt ihn um, nicht aber die Gesundheit der Menschen, so der Sprecher. Der Flughafen sei das Kernstück der wirtschaftlichen Entwicklung in Hessen, deshalb seien Belastungen unvermeidbar, meinte Bouffier.
Angesichts des Ernstes der Lage der Betroffenen, ist diese Haltung nicht angemessen, findet Hahn. Der politische Gestaltungswille der Landesregierung ist, wenn es um den Flughafenausbau geht, sehr groß. Den Vertretern der Bürgerinitiativen hat man dagegen die gefesselten Hände gezeigt. Alle substantiellen Forderungen wurden rundweg abgelehnt.
Außer dem, wozu die Landesregierung die Fraport AG gesetzlich verpflichtet hat, will der Ministerpräsident nichts tun, um die unerträgliche Situation rund um den Flughafen zu verbessern. Den in Zukunft hinter Lärmschutzfestern in ihren Wohnungen eingesperrten Bürgern, versprach er einen „fairen Interessensausgleich“.
Die Luftfahrtbranche hat mit der Revision in Leipzig einen Fuß in der Tür zur kompletten Verlärmung der Nacht und will ihn auch nicht zurückziehen. Das versteht die Landesregierung unter Rechtssicherheit.
Ausgerechnet die konservativ- liberale Landesregierung wirft den Bürgerinitiativen, angesichts ihrer Forderungen, ein Abrücken vom Mediationsergebnis vor. Vertreter des Bündnisses haben während des Gesprächs klargestellt, dass das BBI am Zustandekommen des Mediationsergebnisses nicht beteiligt war. Das gebrochene Versprechen vom Nachtflugverbot und das nicht umgesetzte Anti- Lärmpaket, sind der Beweis für die Missachtung der Mediation durch die Landesregierung und deren Hörigkeit.
Die Auswirkungen eines immer weiter wachsenden Flughafens sind eine Gefahr für Kommunen und Anwohner. Die 70.000 Arbeitsplätze am Flughafen, sind eine Belastung für die Unabhängigkeit der hessischen Politik, meint Helmut Hahn abschließend.
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Pressemitteilung der BI Bad Vilbel zum Treffen mit MP Bouffier
Die BIs rund um den Fraport hatten von vornherein keine allzugrossen Hoffnungen mit dem Gespräch bei MP Bouffier verknüpft. Aber selbst minimale Erwartungen sind enttäuscht worden.
Nicht einmal die Forderung nach einem vernünftigen Mass an Flugbewegungen am FRAPORT wird ernsthaft erwogen. Das Gespräch endete ohne klare Zusagen und liess nicht einmal ein klare Positionierung Bouffiers erkennen. Ausser Allgemeinplätzen und angeblich guten Plätzchen für die Teilnehmer nichts gewesen.
Daraus ziehen wir den Schluss und Entschluss, dass der Handlungsdruck auf Politik und auf den Flughafenbetreiber weiter zunehmen muss.
Die von interessierten Politikern sanktionierte Unantastbarkeit und nebulöse Mystifizierung des FRAPORTs kann nur durch den nachhaltigen Protest der Bürger aufgebrochen werden. Für die Politik schockierend und panikauslösend ist die Erkenntnis, dass diese Protestbewegung für die Erhaltung der Lebensqualität in der ganzen Region aus der Mitte der Bevölkerung kommt, sich weder spalten lässt – wie Bouffier das vergeblich versucht hat – noch in irgendeine abseitige politische Ecke schieben lässt.
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Medien (kleine Auswahl)
FAZ: Landesregierung lehnt Stilllegung der Landebahn ab
T-Online: Bouffier lehnt Forderungen der Fluglärmgegner ab
FR: Bouffier trifft Bürgerinitiativen – Keine Annäherung bei Fluglärm
hr-online: Bouffier lehnt Landebahn-Stilllegung ab
Hessenschau: Bouffier trifft Fluglärm-Gegner
RTL: Bouffier und die Fluglärmgegner
Bilder:
Wie darf man denn den Satz “Technisch und organisatorisch” müsste geklärt werden, welche Belastungen entstehen.“ verstehen?
Sind die Daten der Belastung nicht schon jahrelang bekannt? Jedenfalls zur Belastung der Atemluft liegen doch Studien vor: http://zukunftfechenheim.files.wordpress.com/2012/01/flugverkehr-und-luftqualitc3a4t-im-rhein-main-gebiet.pdf
Es ist unglaublich, dass der Bevölkerung im dicht besiedelten Deutschland nach der Salamitaktik eine Landebahn hier, eine gasfilterlose Anlage da und weiss der Himmel was noch zugemutet wird, ohne dass das Gesamtbild betrachtet wird. Unglaublich die Chuzpe, mit der die Steuerzahler durch Herrn Bouffier und andere, auch durch die ihre Einzelinteressen verteidigenden Unternehmen, mit Teilwahrheiten, Unwahrheiten und falschen Informationen getäuscht werden.
Wäre der politische Wille vorhanden, müsste es dem deutschen Parlament gelingen, dem einen Riegel vorzuschieben. Eine klare Vorgabe, dass nicht eine Vielzahl von kleinen Kraftwerken inmitten von Wohnbebauung von angeblich mehreren Betreibern (daher derzeit „vereinfachtes Genehmigungsverfahren“ ohne Beteiligung der Bevölkerung) ihren Dreck in die Luft blasen können. Ein kleines Drehen an der Besteuerung aller innerdeutschen Flüge und an Flügen, die Fracht transportieren, bspw. durch Anpassung des Mineralölsteuergesetzes. Statt dessen wird die Luftverkehrsabgabe abgesenkt, um Mehrausgaben der Airlines zu kompensieren, durch den Handel mit Emissionsrechten (ETS) aufbringen müssen.(–> http://www.airliners.de/rahmenbedingungen/politik/luftverkehrsabgabe-wird-reduziert/25411).
Der Steuerzahler würde sich freuen, wenn ihm zur Kompensation der Erhöhung einer Abgabenart an anderer Stelle eine gleich hohe Steuererleichterung gewährt würde – wird auf ein solches Wunder aber vergeblich hoffen.
Es ist hohe Zeit, dass der Protest in der bürgerlichen Mitte angekommen ist. Der Druck auf die Politiker muss so lange erhöht werden, bis das Interesse der Bürger wieder im Fokus ihrer Arbeit steht.