63. Montagsdemo: Vortrag Prof. Dr. Friedrich Thießen

03. Juni 2013, Frankfurter Flughafen, Terminal 1

 Luftverkehr und Marktwirtschaft
Forderungen an marktwirtschaftlich orientierte Parteien
Vortrag Flughafen-Demo, Montag,03.06.2013
 

Friedrich Thießen

 Kurzfassung

Demonstranten wird häufig vorgeworfen, sie dächten nicht an das Wohl des Landes, sondern nur an ihren persönlichen Vorteil. Der Luftverkehr sei wichtig für die Arbeitsplätze und die Wirtschaft in Deutschland. Deshalb müssten Belastungen hingenommen werden.

Richtig ist offenbar, dass die Proteste nicht gegen den Luftverkehr im Allgemeinen, sondern gegen den Luftverkehr in seiner heutigen Form gerichtet sind. Sie sind nicht gegen Deutschland gerichtet, sondern für Deutschland in dem folgenden Sinne: Das Land basiert auf der sozialen Marktwirtschaft. Das hat Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg erfolgreich gemacht. So, wie der Luftverkehr heute organisiert ist, verstößt er gegen die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft. Der Luftverkehr ist weder sozial, noch verhält er sich marktwirtschaftlich.

Thießen zeigt, dass die Arbeitslosigkeit in den 90er Jahren deshalb explodierte, weil sich die Weltwirtschaft durch die Öffnungen in Osteuropa und China verändert hatte. Deutschland hatte auf diese Veränderung zunächst wenig reagiert, was den rapiden Anstieg der Arbeitslosigkeit mit verursachte. In diese Zeit fällt der Beginn des Ausbauvorhabens Flughafen Frankfurt. Die damaligen Entscheidungsträger nutzten das Arbeitsplatzargument, um das unpopuläre Projekt durchzuboxen. Als die Bundesregierung Mitte der 2000er Jahre die Arbeitsmarktreformgesetze durchgesetzt hatte, sank die Arbeitslosigkeit schnell. Es wurde deutlich, dass nicht fehlende Großprojekte – wie ein noch größerer Flughafen – die Ursache der Arbeitslosigkeit gewesen waren, sondern die strukturelle Verkrustung der Arbeitsmärkte. Der Chef des Frankfurter Arbeitsamtes hatte auf diesen Umstand von Anfang an hingewiesen. Man achtete aber nicht auf Fachleute wie ihn, weil das Arbeitsplatzargument nur politisch und von Lobbygruppen missbraucht wurde, um unpopuläre Großprojekte durchzusetzen.

Verstöße gegen die Marktwirtschaft sind im Luftverkehr durch die sogenannten externen Effekten zu beobachten. Externe Effekte liegen vor, wenn von einem Wirtschaftssubjekt Einflüsse auf andere Wirtschaftssubjekte ausgehen, ohne dass dies über den Preis oder eine andere Kompensationszahlung abgegolten wird. Marktwirtschaften leben davon, dass Anbieter und Nachfrager Verträge frei miteinander aushandeln. Das bringt die großen Vorteile des freien Marktes mit sich. Aber dabei dürfen keine Dritte geschädigt werden, das ist die Bedingung. Wenn man nämlich mit seinen Verträgen Dritte schädigen dürfte, ergäben sich unhaltbare Konsequenzen. Jeder würde natürlich versuchen, Verträge auf Kosten von Dritten abzuschließen und selbst die Vorteile einzuheimsen. Der Luftverkehr bringt erhebliche externe Effekte mit sich, insbesondere beim Faktor Lärm.

Was ist zu tun? Die Lehrbücher zur Marktwirtschaft zeigen, was getan werden muss. Die externen Effekte müssen „internalisiert“ werden. Das bedeutet, es muss dafür gesorgt werden, dass die Anbieter und Nachfrager bei ihren Verträgen mit genau den Kosten belastet werden, die sie den unbeteiligten Dritten verursachen. Das muss durch den Staat sichergestellt werden. Wer sich zu einer Marktwirtschaft bekennt – und dies tun alle großen Parteien –, der muss dafür sorgen, dass die externen Kosten internalisiert werden. Man kann nicht gleichzeitig Markt predigen und dann einige Marktteilnehmer marktwidrig ausbeuten und andere sich bereichern lassen.

Es können vier Forderungen gestellt werden:
•  Parteien, die sich zur Marktwirtschaft bekennen, müssen den schädigenden und marktwidrigen Charakter der externen Effekte anerkennen.

•  Die Parteien müssen die externen Effekte ehrlich monetär bewerten. Augenwischerei ist ein Schlag ins Gesicht der betroffenen Bürger ( sozialer Grund) und führt zu Verzerrungen in der Allokation der Ressourcen ( marktwirtschaftlicher Grund).

•  Die Parteien müssen die Airlines – lehrbuchgemäß – mit genau den Kosten belasten, welche diese ihrerseits den unbeteiligten Dritten verursachen. Es muss sich für die Airlines lohnen, lärmgünstigere Flughäfen anzufliegen und lärmgünstigere Flugrouten zu nutzen.

•  Für jeden Monat, in welchem die Airlines die Bevölkerung weiterhin marktwidrig belasten, muss eine Ausgleichsabgabe gezahlt werden. Eine populäre Forderung könnte dahin gehen, die Gehälter der Vorstände von Lufthansa und Co. solange auf die 1:12 Regel zu begrenzen, bis die Schädigung Dritter eingestellt wurde.

Die Probleme mit dem Luftverkehr in Deutschland resultieren daher, dass man einerseits Marktwirtschaft predigt, aber andererseits die Regeln der Marktwirtschaft, so wie sie in den Lehrbüchern stehen, nicht anwenden will.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich wünsche Ihnen einen schönen Nachmittag. Mein Name ist Friedrich Thießen. Ich bin Professor für Wirtschaftswissenschaften an der TU Chemnitz.

Sie protestieren heute gegen den Luftverkehr. Andere mögen sagen, das sind ja Egoisten. Die denken nur an sich. Der Luftverkehr sei für unser Land wichtig, heißt es. Das würden die Protestierenden nicht berücksichtigen.

Diese Vorwürfe sind falsch. Richtig ist: Sie protestieren heute nicht gegen den Luftverkehr im Allgemeinen , sondern gegen den Luftverkehr in einer bestimmten Form .

Ich möchte heute zeigen, dass die Proteste gegen den Luftverkehr in seiner heutigen Form nicht gegen unser Land gerichtet sind, sondern für unser Land. Unser Land basiert auf der sozialen Marktwirtschaft. Das hat Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg erfolgreich gemacht. Und so, wie der Luftverkehr heute organisiert ist, verstößt er eklatant gegen die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft. Der Luftverkehr ist weder sozial, noch verhält er sich marktwirtschaftlich. Das möchte ich im Folgenden zeigen.

Wir wollen uns dabei mit drei Aspekten beschäftigen.

•  Dem Arbeitsmarkt

•  Dem Mediationsverfahren

•  Und der Lufthansa

Die Arbeitslosigkeit Ende der 90er Jahre
Das soziale Element möchte ich am Beispiel der Arbeitsplatzfrage beleuchten.

Wir erinnern uns: Ende der 90er Jahre stieg die Arbeitslosigkeit in Deutschland rasant an. Sie erreichte im Jahr 1997 den schrecklichen Wert von 11,4%. Der Höchstpunkt wurde 2005 mit 11,7% erreicht. Wir lesen bei der Bundeszentrale für politische Bildung: „ Seit Ende der 1970er-Jahre, spätestens seit Anfang der 1980er-Jahre, gehört die Arbeitslosigkeit zu den größten sozialen Problemen in Deutschland. Abseits der konjunkturellen Wellenbewegungen haben sich die Arbeitslosenzahlen bis zum Jahr 2005 immer weiter erhöht.

Deutschland befand sich damals in einer arbeitsmarktpolitischen Notlage. Die Wende im Ostblock und in China und die folgende Globalisierung brachten die Arbeitsmärkte ins Ungleichgewicht. Deutschland passte seine schon damals verkrusteten Arbeitsmärkte nicht an die neue Situation an.

Diese Notlage nutzten damals all diejenigen aus, welche Großprojekte durchbringen wollten. Sie versprachen Arbeitsplätze. Dabei war den wirklichen Arbeitsmarktexperten klar, dass die Probleme in den strukturellen Verkrustungen der Arbeitsmärkte lagen. Bei strukturellen Verkrustungen können aber auch Großprojekte nicht helfen. Der damalige Chef des Frankfurter Arbeitsamtes, um nur eine Meinung eines wirklichen Fachmannes zu nennen, wies immer wieder auf die strukturellen Verkrustungen als eigentliche Ursachen der Arbeitslosigkeit hin.

Aber die Wahrheit wurde beiseite gedrängt. Das falsche Arbeitslosenargument wurde von der Politik, von den Airlines, von den Kammern missbraucht, um das Großprojekt Flughafenausbau durchzubringen. Die Menschen, die Zweifel äußerten, wurden mundtot gemacht und als unsozial gebranntmarkt.

Die Reformen wirken: auch ohne Flughäfen
Wer wirklich recht hatte, zeigte sich nach 2005. Die damalige Bundesregierung hatte in einem enormen Kraftakt in den Jahren davor die Reformgesetze Hartz I, II, III und IV in Kraft gesetzt. Die Wirkung war ohnegleichen. Von 2005 bis 2011 verringerte sich die Arbeitslosigkeit in Deutschland um mehr als ein Drittel. In Westdeutschland reduzierte sich die Arbeitslosenzahl um 37,6% und in Ostdeutschland um 41,2% (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung).

Dabei verringerte sich die Arbeitslosigkeit praktisch in allen Gebieten Deutschlands unabhängig davon, ob ein Flughafen in der Nähe war oder nicht. Die Region um Kassel entwickelte sich viel besser als die des Rhein-Main-Gebietes, obwohl der Flughafen Frankfurt brummte. Das musste auch ein Gutachter des Flughafens einräumen, der bei einer Aktualisierung seiner Zahlen keinen arbeitsplatzschaffenden Effekt von Flughäfen mehr nachweisen konnte. Dass die Gerichte dies nicht stärker berücksichtigten, ist eine der großen Ungerechtigkeiten des Flughafenausbaus. Die Gerichte sind offenbar befangen.

Bis heute sind viele Studien entstanden, die zeigen, dass Regionen nicht schneller wachsen, wenn sie einen Flughafen besitzen

Das Mediationsverfahren
Das Instrument, das die Politik benutzte, um den Flughafenausbau durchzubringen und vor allem, um das Arbeitsplatzargument immer wieder neu auf die Tagesordnung bringen zu können, war das Mediationsverfahren. Es ist in die Geschichte eingegangen. Lehrstühle forschen darüber. Studenten schreiben ihre Referate. Das Mediationsverfahren ist das Lehrbeispiel, wie unter der Oberfläche eines schönen Scheins getrickst wurde, um ein Großprojekt durchzubringen. Das Verfahren dauerte 15 Monate. Es gab 41 Arbeitspakete, 20 Gutachten, 15 Hearings.

Wie wir heute wissen, sind in dem Verfahren systematisch die Vorteile zu hoch und die Nachteile des Flughafenausbaus zu gering angegeben worden.

•  Die Zahl der Arbeitsplätze, die geschaffen werden, ist zu hoch angegeben worden.

•  Die Wachstumsraten des Luftverkehrs sind zu hoch angegeben worden.

•  Die gesundheitlichen Belastungen durch Lärm sind zu gering gerechnet worden.

•  Die Einbußen an Lebensqualität, der Verlust an Wohnraum sind zu gering bewertet worden.

•  Die Alternativen, welche die Unternehmen des Luftverkehrs haben, sind heruntergespielt worden.

Der größte Betrug (im umgangssprachlichen Sinne) an der Bevölkerung war wahrscheinlich der, dass im Mediationsverfahren jemand den Menschen der Region, den Mediatoren und auch den Abgeordneten in Wiesbaden die Arbeitsplatzwirkungen der Luftfahrtindustrie erklärte, der kein Arbeitsmarktexperte war, sondern der vor allem eins war: nämlich ehemaliger Mitarbeiter der Lufthansa. Wer diesen Lufthansamitarbeiter auf solch einen wichtigen Posten hievte, ist heute nicht mehr feststellbar. Und derjenige wird sich auch hüten, sich zu melden. Aber dass er wichtige Informationen interessegeleitet unterdrückte, ist sicher. Das bedeutet: es war ein Lufthansamitarbeiter, der die wahrhaftigen Forschungsergebnisse – die sich bis heute immer wieder in weiteren Untersuchungen bestätigt haben – vom Tisch wischte.

Das, meine Damen und Herren, ist die angebliche Ausgewogenheit und Neutralität und Ergebnisoffenheit des berühmten Mediationsverfahrens.

Die externen Effekte
Damit kommen wir zum zweiten Aspekte, den wir heute behandeln wollen, den Verstößen der Luftfahrtindustrie gegen marktwirtschaftliche Prinzipien.

Wir fragen uns zunächst: Was war eigentlich das Interesse von Lufthansa und anderen Airlines, den Ausbau des Flughafens gegen jede Wahrheit unbedingt durchboxen zu wollen?

Wir beleuchten dies im Folgenden anhand der sogenannten externen Effekte, die der Flughafenausbau massenhaft mit sich gebracht hat. Dann wird die Motivation klar und die Verstöße gegen die Marktwirtschaft ebenso. Was sind externe Effekte?

Externe Effekte liegen vor, wenn von einem Wirtschaftssubjekt Einflüsse auf andere Wirtschaftssubjekte ausgehen, ohne dass diese über den Preis oder eine andere Kompensationszahlung abgegolten werden.

Beispiel: Ein Reisender und eine Airline treffen sich und vereinbaren, dass die Airline den Reisenden an sein Ziel bringt. Der Reisende zahlt, die Airline erhält das Reiseentgelt. Dies ist ein typischer marktwirtschaftlicher Vertrag. Das Besondere ist nun aber, dass die Airline bei der Durchführung der Reise unbeteiligte Dritte erheblich schädigt. Die Airline wählt eine flache Steigroute, sie überfliegt dicht besiedeltes Gebiet, sie nutzt nicht die lärmgünstigsten Flughäfen, sie investiert zögerlich in leisere Maschinen, sie hält den technischen Fortschritt auf. Das alles macht sie deshalb, weil es ihre Kosten senkt. Der Reisepreis kann dadurch niedriger ausfallen. Airline und Reisender reiben sich die Hände.

Die Folgen für die Dritten, die mit der Reise gar nichts zu tun haben, sind dramatisch: sie können ihre Balkone nicht mehr benutzen, können nicht mehr lüften, wann sie wollen, sich nicht mehr unterhalten, ihre Gärten nicht mehr nutzen. Sie werden krank. Die Konzentration lässt nach. Dachgeschosswohnungen werden unbenutzbar.

Das alles sind erhebliche Schäden, welche die Airline und der Reisende verursachen, und zwar ohne die Geschädigten dafür zu entschädigen. Die beiden vertragschließenden Parteien bereichern sich auf Kosten anderer. Das Reiseentgelt bezahlt der eine, die Airline steckt es ein. Beide zusammen lassen die Geschädigten auf ihren Kosten sitzen.

Das sind die sogenannten externen Effekte: vertragschließende Parteien verursachen Schäden bei unbeteiligten Dritten.

Externe Effekte und Marktwirtschaft
Das interessante ist nun: wir leben in einer Marktwirtschaft. Alle großen Parteien bekennen sich zur Marktwirtschaft. Eine Bereicherung auf Kosten Dritter ist aber in Marktwirtschaften systemwidrig. Sie gehört nicht zur Marktwirtschaft. Marktwirtschaften leben davon, dass Anbieter und Nachfrager Verträge frei miteinander aushandeln. Das bringt die großen Vorteile mit sich.

Aber dabei dürfen keine Dritte geschädigt werden, das ist die Bedingung. Wenn man nämlich mit seinen Verträgen Dritte schädigen dürfte, ergäben sich unhaltbare Konsequenzen. Jeder würde natürlich versuchen, Verträge auf Kosten von Dritten abzuschließen und selbst das Geld einzuheimsen. Dann würde es zu der sogenannten „Fehlallokation der Ressourcen“ kommen. Ressourcen werden vergeudet und in falsche Hände geleitet. Das ist keine Marktwirtschaft mehr. Aber genau das macht die Luftfahrtindustrie. Genau das fordert die Luftfahrtindustrie von der Gesellschaft. Sie lebt auf Kosten Dritter. Sie fordert von der Politik, die Gesetze so einzustellen, dass die Luftfahrtindustrie legal und kostenlos andere schädigen darf. Das ist marktwidrig.

Was wäre marktgerecht? In einer Marktwirtschaft muss jede positive und negative Leistung zu einem marktgerechten Preis abgegolten werden. Das kann in jedem Lehrbuch zur Marktwirtschaft nachgelesen werden. In all den Fällen, in denen die Abgeltung nicht von sich aus gelingt, spricht man vom Marktversagen . Das ist bei externen Effekten der Fall. Dies müssen die politischen Parteien eigentlich wissen. Sie bekennen sich alle zur Marktwirtschaft. In jedem Lehrbuch lässt sich das Thema „Marktversagen durch externe Effekte“ nachschlagen. Warum schlagen die Parteien, die sich zur Marktwirtschaft bekennen, diese Seiten nicht auf?

Internalisierung der externen Effekte
Was ist zu tun? Auch das steht in jedem Lehrbuch: die externen Effekte müssen „internalisiert“ werden. Was heißt das? Internalisierung bedeutet, dass dafür gesorgt werden muss, dass die Anbieter und Nachfrager bei ihren Verträgen mit genau den Kosten belastet werden, die sie den unbeteiligten Dritten verursachen. Dafür muss durch den Staat sichergestellt werden. Es stehen ihm folgende Instrumente zur Verfügung:

•  Auflagen

•  Steuern

•  Zertifikate

Keines von diesen Instrumenten wird in angemessener Weise genutzt. Zertifikate gab es nur für CO 2 , nicht für Lärm. Die CO 2 -Zertifikate sind gescheitert. Steuern zahlen die Airlines zu wenig. Sie sind von diversen Steuern entlastet (Mineralöl-, Mehrwertsteuer, dagegen Luftverkehrsteuer). An Auflagen gibt es am Flughafen Frankfurt das Nachtflugverbot und eine lärmbezogene Komponente der Lande- und Startentgelte: Das sind in der Kategorie Imit Lärm bis 77 dB(A) 40,– Euro. Die Höhe dieser Entgelte ist lächerlich gering relativ zu den Belastungen. Sie ist reine Augenwischerei.

All das ist mit einer Marktwirtschaft nicht zu vereinbaren. Wer sich zu einer Marktwirtschaft bekennt, der muss dafür sorgen, dass die externen Kosten internalisiert werden. Man kann nicht gleichzeitig Markt predigen und dann einige Marktteilnehmer marktwidrig ausbeuten und andere sich bereichern lassen.

Einwände
Einige sagen, externe Effekte gebe es so viele, dass man sie nicht alle internalisieren könne. Dies ist nicht richtig. So viele gibt es gar nicht. Und: die wichtigsten muss man bekämpfen, sonst laufen Marktwirtschaften schief. Früher hieß es auch, man müsste es den Unternehmen gestatten, Flüsse zu verschmutzen. Heute weiß jeder, dass das eine falsche Idee war.

Forderungen
Wir leben in einer sozialen Marktwirtschaft. Darauf sind wir stolz. Wir dürfen die Errungenschaften nicht aufs Spiel setzen. Wir dürfen weder unsozial werden, noch dürfen wir die marktwirtschaftlichen Prinzipien außer Kraft setzen.

Wer sich zur Marktwirtschaft bekennt, der muss die Auswüchse der Marktwirtschaft bekämpfen. Externe Effekte sind Auswüchse, die beseitigt werden müssen.

Was ist zu fordern? Es können vier Forderungen gestellt werden:

•  Parteien, die sich zur Marktwirtschaft bekennen, müssen den schädigenden und marktwidrigen Charakter der externen Effekte anerkennen.

•  Die Parteien müssen die externen Effekte ehrlich monetär bewerten. Augenwischerei ist ein Schlag ins Gesicht der betroffenen Bürger ( sozialer Grund) und führt zu Verzerrungen in der Allokation der Ressourcen ( marktwirtschaftlicher Grund).

•  Die Parteien müssen die Airlines – lehrbuchgemäß – mit genau den Kosten belasten, welche diese ihrerseits den unbeteiligten Dritten verursachen. Es muss sich für die Airlines lohnen, lärmgünstigere Flughäfen anzufliegen und lärmgünstigere Flugrouten zu nutzen.

•  Für jeden Monat, in welchem die Airlines die Bevölkerung weiterhin marktwidrig belasten, muss eine Ausgleichsabgabe gezahlt werden. Eine populäre Forderung könnte auch lauten, die Gehälter der Vorstände von Lufthansa und Co. solange auf die 1:12 Regel zu begrenzen, bis die Schädigung Dritter eingestellt wurde.

Die Probleme mit dem Luftverkehr in Deutschland resultieren daher, dass man einerseits Marktwirtschaft predigt, aber andererseits die Regeln der Marktwirtschaft, so wie sie in den Lehrbüchern stehen, nicht anwenden will.

Das sollte geändert werden.

Vielen Dank

Prof. Dr. Friedrich Thießen
TU Chemnitz
Finance@wirtschaft.tu-chemnitz.de
Tel. 0371-531-26190

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